Kammermusik

Ich hebe ab

Replay für Klarinette, Violine, Klavier & Rezitation ad libitum

»Ich hebe ab
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Für Norbert Sterk (1968, Wien), Ausbildung u.a. bei H.K. Gruber, ist Komponieren ein Akt des Lauschens, ein Versuch „die Stille in mir - und den Lärm - aufleben zu lassen, ihren Farben und Klängen zu trauen ohne sie in ein Korsett zu zwingen und sie auf behutsame, vielfältige Weise wahrzunehmen“ Als ausgebildeter Logopäde bringt er besondere Aufmerksamkeit für Atem, Stimme und Sprechformen in seine Musik ein. Einige seiner Werke basieren auf Worte von Nelly Sachs, Octavio Paz, Semier Insayif oder Robert Schindel und kreisen u.a. um Erinnerung und politische Spannung. In Die Einstimmung (Libretto: Doron Rabinovici) wird populistische Rhetorik zu einem Stimmenorkan manipulativer Phrasen verdichtet. Sterk arbeitet interdisziplinär, z. B. mit der Künstlerin Elisabeth Holzer im Projekt land of sleepless mirrors. Mit seinem Replay-Konzept denkt er bestehende Werke neu, etwa in Das sagende Gesicht, einer Hommage a Viktor Ullmann. Er ist einer der künstlerischen Leiter von Reconsil und war langjähriges Jurymitglied beim Kompositionspreis der Ö1 Talentebörse.

Ich hebe ab

 (…) und atme auf, bin sowieso

Sehr sinnenhaft und lebensfroh

Und golden glänzen meine Larifariflügel (...)*

Im Echo der klingenden Worte des Dichters Robert Schindel entfaltet sich das Stück. Ausgestattet mit "Larifariflügel" segelt der Protagonist, scheinbar der Unbill der Welt enthoben, "lebensfroh" über eine "prachtvolle", vielleicht noch nächtliche Landschaft "dem Morgen zu". Aus der Vogelperspektive wahrgenommen wirkt selbst der "Belsener Hügel" lieblich. Die brennende Welt, zuletzt beschworen, ist Vergangenheit und dennoch präsent. Unten hingegen lauschen wir, mitten im Nachhall, einer klingenden Landschaft. Vielleicht gleicht sie den von Semier Insayif beschworenen Herzen:

dein schatten

boden

reißt mir ein loch

ins erinnern

zerrt mich

mein herz

aus dem leib

und haut ab**

Ich hebe ab ist ein Replay meiner zuvor für Sopran und kleines Ensemble entstandenen Komposition mon cœur, répète!, dem ich komponierend neu gelauscht habe, um bislang verdeckte Strukturen freizulegen und hörbar zu machen und es teils mit anderen Farben zu versehen. Es ist für Sprecher*in ad libitum, Klarinette, Violine und Klavier komponiert. Das Stück ist den Musiker*innen der Uraufführung gewidmet.

 

* aus „Ein Feuerchen im Hintennach“ von Robert Schindel (Suhrkamp 1992)
**aus „über zeugungen“ von Semier Insayif (hochroth Wien 2018)